Gegen das Virus
Mehr Bewusstsein, keine Anmaßung

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Überall ist man besorgt, weil das Coronavirus sich sowohl weltweit als auch lokal ausbreitet. Das geht uns alle an: Wir sind zwar potentielle Opfer, aber vor allem können wir für Selbstpflege und Vorsicht sorgen.
In Italien hat das Zögern und Schwanken der amtierenden Regierung bisher nicht geholfen. Genauso kann man das von den tausenden Informationsmeldungen sagen, die oft widersprüchlich, hektisch und unverständlich und manchmal einfach verwirrend wegen ihrer Ungenauigkeit und Undurchsichtigkeit sind.
Wir nehmen mit der nötigen Weisheit die Maßnahmen der Regierung zu einem verantwortlichen Verhalten im Alltag an. Das hatten wir schon von unserer Seite unseren GenossInnen und Freunden empfohlen.
Wir schweigen jedoch nicht über unsere Zweifel bzw. Mißbilligungen gegen andere Massnahmen und gegen die Art und Weise, mit der sie propagiert werden und angewandt werden können. Wir vergessen auch nicht, wie die Regierung in den letzten Jahren das öffentliche Gesundheitssystem vernachlässigt hat.
Lassen wir uns im Interesse der einfachen Menschen denken und wirken, damit sie sich einigen, um die Gesundheit von allen und jedem zu schützen. Das verlangt eine solidarische Logik, die bewusst angenommen, mitbestimmt und geprüft wird. Wir nehmen keine Diktat oder Lehren von “Union Sacreè” vonseiten politischer Kräften an, die alltäglich miteinander streiten und gegeneinander kämpfen, um sich ihre Vorteile zu erschleichen, während sie die Bedürfnisse der einfachen Menschen ignorieren oder instrumenatlisieren. Wir können nicht akzeptieren, dass noch einmal riesige Geldbeträge den Industrieunternehmen statt den Arbeitenden gespendet werden. Noch schlimmer kommt dazu, dass den Arbeitern und Arbeiterinnen keine gesundheitlichen Sicherheitsvorkehrungen bei ihrer Arbeit garantiert werden. Die Notwendigkeit einer vorläufigen Unterbrechung der Produktion bei vollen Lohn für Arbeiter und Arbeiterinnen, in den am meisten betroffennen Orten, wird auch nicht ernsthaft in Betracht gezogen. Aus diesem Grund unterstützen wir die Aktionen, die Mobilisierungen und die Streiks, die sich in vielen Orten mit diesen Forderungen entwickeln.
Außerdem fragen wir uns danach, wie manche Entscheidungen über das alltägliche Verhalten empfangen und ausgeführt werden können. Im Sondergesetz wird mit absichtlicher Zweideutigkeit geschrieben, dass vom verlassen des zuhauses “abgeraten” wird, weil ein echtes Verbot gegen die Verfassung und das Staatsrecht sei. Wir vermuten jedoch stichhaltig, was manche Signale schon beweisen, dass statt der reinen Anwendung der neuen Vorschriften unterdrückende und arrogante Einstellungen Fuß fassen. Das kann sowohl durch mögliche “informelle” Anweisungen von oben als auch durch wenig lobenswerte “spontane” Ansätze der Polizeikräfte passieren. Etwas Ähnliches geschieht zum Schaden der Inhaftierten im Gefängnis. Es ist kein Zufall, dass alle Rechtsparteien – von den Faschistoiden der Lega bis den Nationalidioten von Forza Italia und Fratelli d’Italia – immer wieder neue schärfere Massnahmen vorschlagen, die von der Regierung überhaupt nicht ungehört bleiben.
Nachdem man wochenlang unverantwortliche Reisen von und in die betroffenen Zonen erlaubt hat, wird jetzt vielleicht eine Frau kriminalisiert, die mit ihrem Hund ausgegangen ist, oder man richtet sich bedrohlich gegen Menschen die einkaufen gehen. Geschweige denn vom Risiko, dass so etwas sich gegen die Zuwanderer wendet. Wenn man so weiter geht, kann ein gefährlicher Irrweg beginnnen, bei dem die Unterdrückung gegen die Ärmsten zur Verschärfung neigt und das macht die untergehende Demokratie immer hierarchischer und autoritärer.
Solche Tendenzen müssen sofort von allen Kräften verurteilt und beseitigt werden, die am Gemeinwohl interessiert sind: von Zuwanderervereinen bis zu Solidaritätsbündnissen, von Freiwilligen bis zu Gewerkschaften, von politischen Linksorganisationen bis zu Einzelmenschen, die auch nur ein Überbleibsel von Demokratie bewahren wollen.
Selbst dieVerwaltung der Krise kann dabei übrigens gar nicht einfacher sein, ganz im Gegenteil. Die rüchsichtsvolle, sorgfältige, heilkräftige Gesellschaftlichkeit unter den Menschen verlangt keine Abflachung ihres Bewusstseins, die sich sehr gerne auf dem Hobbesschen Märchen von der “Angst als evolutiven Ressource” gründet. Das kann nur dazu führen, dass man sowohl an seine eigene Gesundheit als auch an die der anderen schlecht denkt. Sich von Panik treiben zu lassen, ist nicht weniger gefährlich als die reale Bedrohung zu unterschätzen: In beiden Fällen werden unsere kognitiven, reflexiven, intuitiven, vorbeugenden, reaktiven, proaktiven Fähigkeiten konditioniert und reduziert. Natürlich erlebt jede und jeder von uns plötzlich eine gewisse Verwirrung durch die neueSituation. Um so mehr braucht man eine geeignete mentale Haltung, aus der praktisch eine konsequente und verantwortliche Einstellung entstehen kann. Ärzte und Gesundheitsarbeiter, die eine grundsätzliche, wertvolle und großzügige Tätigkeit leisten, müssen angehört und unterstützt werden und dasselbe sollten wir auch mit allen Menschen tun, die uns nah sind. Dafür soll unser Bewusstsein bewegt, wach und aktiv, statt – wie von oben gewünscht – eingeschlafen sein.
Auch die Kampagne der unterdrückenden Mächten unter dem Motto “Ich bleibe zuhause”, die zwar einem bestehenden Bedürfnis entspricht, enthält nicht nur psychologische Risiken sondern auch wohl einen zynischen Inhalt. Wie gesagt, werden viele Menschen heute noch schutzlos zur Arbeit gezwungen. Wenn solche dringende Empfehlungen wörtlich angenommen werden, können sie zahlreiche Gegenwirkungen mit sich bringen: gefährliche Isolierung, Angst und depressive Tendenzen oder den Verzicht auf körperliche Tätigkeit, die jede und jeder von uns nun mit äußerster Vorsicht machen sollte, wie alle Ärtzte stetig uns empfehlen.
Außerdem ist es nützlich, richtig und wohltuhend auszugehen, um jedem zu helfen, der es braucht. Halten wir deswegen das Niveau unserer Vorsicht hoch und beachten wir alle von den Gesundheitsbehörden empfohlenen vorbeugenden Vorschriften stringent aber gehen wir aus, wenn es nützlich und notwendig ist.
Um mit diesen Massnahmen konsequent zu sein, braucht man einen bewussten, gegenseitigen und rücksichtsvollen aktiven Umgang und keine mechanische, vereinsamte, individualistische und unverfrorene Passivität.
Mehr denn je sind Selbstbewusstsein, Zusammenleben und Menschenbeziehungen gründsätzlich wichtig. Wenn es direkt persönlich nicht möglich ist, können wir per Telefon oder anderswie – auf jedem Fall in Sicherheit – sprechen. Mit Verwandten, Freunden, GenossInnen, Bekannten, können wir darüber reden, wie es uns körperlich, mental und psychologisch geht. Dadurch nutzen wir unsere Fähigkeiten und unsere Aufmerksamkeit aktiv und sind sogar besser in der Lage, eventuelle Symptome
den Ärtzten zu beschreiben. Man braucht deshalb ein außergewöhnliches und erneutes Engagement, eine besondere und neue psychophysische Konzentration, eine sachte und kräftige Wiederentdeckung der gesamten Subjektivität, von der auch wir ein Teil sind. Das ist es, was wir uns und euch vorschlagen. Das ist es, was wir versuchen praktisch zu leben. Wer dieses Land beherrscht, will und berücksichtigt im Gegenteil nur einen untergeordneten Einsatz. Mobilisierungen mögen und fördern sie lediglich,wenn sie in den Stadien oder beim Nachtleben wirtschaftliche Einnahmen und soziale Vergiftung mit sich bringen.
An den Kampf gegen das Virus zu denken, bedeutet heute, unseren Geist und Körper gefühlsmäßig zu mobilisieren, um tiefgreifender eine gesamte Idee der Liebe für das Leben in allen seine Formen und für die Spezies Mensch wiederzuerobern. Das gilt vor allem für die Menschen, die wir lieben und die wir genau in dieser – hoffentlich kurzen – Zeit nicht streicheln können. Die Überwindung des Notfalls und die Genesung wird daher bedeuten können, dass wir uns als Frauen und Männer verbessert haben, indem wir tiefer überlegen und das mögliche Glück fühlen.

Humanistsche Sozialistische Strömung
La Comune

13.03.2020